Errichtung und Betrieb eines ezidischen Friedhofs in der Stadt Kalkar

  • Bereitstellung eines Grundstücks
Vorlagennummer: 10/493
Beratungsart:öffentlich
Federführender Bereich:Planen, Bauen, Umwelt

Wichtige Dokumente zum Download (veröffentlicht am 28.03.2018)

Sachverhalt


Der Verein der Eziden in Kalkar ist im vergangenen Jahr mit der Bitte an die Stadt herangetreten, die Möglichkeiten für - dem Glauben der Eziden gerecht werdende - Bestattungen zu schaffen. So dürfen z.B. nach ezidischen Ritus die Toten nur an einer Stelle bestattet werden, in der vorher noch kein anderer Mensch bestattet wurde. Darüber hinaus gilt ein einmal errichtetes Grab als Bestattungsstätte für die Ewigkeit. Der Leichnam wird in einem von der Trauerfamilie gefertigten Leinentuch mit dem Gesicht in Richtung aufgehender Sonne beerdigt. Die Voraussetzungen für die Durchführung solcher Bestattungen liegen in der Stadt Kalkar bisher nicht vor. Weder gibt es entsprechend genehmigte oder gewidmete Friedhofsflächen, noch lassen die satzungsrechtlichen Bestimmungen (Sargzwang, Ruhefristen, u.a.) Bestattungen nach dem ezidischen Glauben zu.

Es ist Absicht des Vorsitzenden des ezidischen Vereins in Kalkar, dass in der Stadt eine Fläche gefunden wird, die geeignet ist und Platz bietet, um für die Gesamtgemeinde der Eziden am Niederrhein Bestattungen anbieten zu können. Dementsprechend sollte zunächst für eine Anzahl von mindestens 100 Gräbern das Flächenpotential geschaffen werden; langfristig seien zwischen 300 und 400 Gräber angedacht.

Im Zuge einer ersten, unverbindlichen Standortprüfung wurde auf Wunsch der Eziden eine Grünfläche zwischen den gewerblich nutzbaren Grundstücken des Gewerbegebietes Kalkar-Ost und dem Leybach (s. Anlage 1 zur Drucksache) auf ihre Eignung geprüft. Diese Fläche bot sich aufgrund ihrer Nähe zum Gemeindehaus der Eziden am Oyweg an; allerdings kommt eine von der Stadt veranlasste Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die hydrogeologischen Voraussetzungen für einen Friedhof an dieser Stelle nicht gegeben sind, da die tonigen und lehmigen Böden, die größtenteils als Überdeckung und als Bestandteil der Zersetzungszone auftreten, keine geeigneten Böden für Begräbnisplätze darstellen. Darüber hinaus sprechen die Stau- und vor allem die Grundwasserverhältnisse gegen die Nutzung des Geländes als Friedhof. In die weitere Betrachtung als möglicher Standort für ezidische Grabfelder wurden Flächen in Fortführung des kommunalen Friedhofs im Stadtteil Kalkar genommen. Bei den Flächen handelt es sich um einen Bereich, der unmittelbar östlich und südlich an den bestehenden Friedhof grenzt (s. Anlage 2 zur Drucksache). Diese potentiellen Erweiterungsflächen werden im Osten durch die Straße „Im Schwanenhorst“, im Norden durch die Friedhofsfläche mit den Urnenrasenreihengräbern und im Westen ebenfalls durch den bestehenden Friedhof begrenzt. Sie befinden sich im Eigentum der Stadt Kalkar und werden z.Zt. für private Gärten genutzt. Zwecks Beurteilung, ob den Vorgaben der Hygienerichtlinien für die Anlage und Erweiterung von Begräbnisplätzen (Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in diesem Bereich entsprochen werden kann, wurde auf ein durch den geologischen Dienst NRW erstelltes Gutachten für das letzte Erweiterungsareal des Friedhofs Kalkar für die angrenzenden Urnenrasenreihengräber zurückgegriffen. Demnach sind auch an dieser Stelle die Böden der Erweiterungsfläche im jetzigen Zustand für Bestattungszwecke nicht geeignet. Da der Grundwasserstand sich im Zusammenhang mit der Niederschlagstätigkeit höher als 1,80 m durch die gesamte Fläche zieht, kann die Verwesung der Leichen verzögert werden. Es ist somit nicht auszuschließen, dass sich in einigen Bereichen der Erweiterungsfläche Wachsleichen bilden würde. Zudem besteht die Gefahr, dass das Grundwasser verunreinigt wird. Nur durch eine aufwendige Tiefendrainage mit Kontroll- und Reinigungseinrichtungen ließe sich das Grundwasser auf Dauer in der Fläche absenken. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass aufgrund der geringen Geländehöhen und hohen Grundwasserstände in Kalkar geeignete neue Flächen für Erdbestattungen schwierig zu ermitteln sind. Dies bestätigt sich auch, wenn man die Daten der Grundwassermessstellen des Landes NRW für Kalkar auswertet; der gemäß Hygienerichtlinien erforderliche Abstand von mindestens 2,50 m zwischen Erdbodenoberfläche und höchstem Grundwasserstand kann zumeist nicht eingehalten werden.

Von solch einer Grundwasserproblematik unberührt dürften die Grundstücke sein, die sich im Bereich des Niederrheinischen Höhenzuges im Westen des Kalkarer Stadtgebietes befinden. Nach Einschätzung der Verwaltung könnte daher das Grundstück Gemarkung Altkalkar, Flur 5, Flurstück 674, groß 4.016 m² (s. Anlage 3 zur Drucksache) grundsätzlich für eine Friedhofnutzung geeignet sein; nach erster Einschätzung des Vorsitzenden des Vereins der Eziden sei das Grundstück für die angedachte Nutzung perfekt. Gleichwohl sind neben der eigentlichen Standortbestimmung zahlreiche weitere, komplexe Fragestellungen und Aufgaben verbunden, die es gilt zu prüfen und zu bearbeiten. Hierzu im Einzelnen:

Schaffung von Bau- und Planungsrecht
Soweit für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich, ist ein Bebauungsplan aufzustellen und der Flächennutzungsplan zu ändern. Dieses Erfordernis ist bei der Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anlage eines Friedhofs anzunehmen. Diverse Belange sind dabei zu berücksichtigen; hierzu gehören z.B. die verkehrliche Erschließung, die Einordnung des Vorhabens in die Umgebung sowie die geologischen und hydrologischen Gegebenheiten.

Finanzierung und Projektsteuerung
Für die Aufstellung bzw. Änderung der Bauleitplanung, die erforderlichen Fachgutachten, der Genehmigungsantrag und die Anlage einer ansprechend gestalteten Grünfläche sowie deren dauerhafte Pflege müssen die finanziellen Mittel und personellen Ressourcen bereitgestellt werden. Dabei muss der Verein der Eziden aufzeigen, wie und in welchem Umfang er in der Lage ist, die planerische Vorbereitung und die Umsetzung zu steuern und zu realisieren.

Beleihung der Trägerschaft und des Betriebs
Nur Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, dürfen als Friedhofsträger Friedhöfe anlegen und unterhalten. Die Eziden sind nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Friedhofsträger dürfen sich aber bei Errichtung und Betrieb von Friedhöfen im Wege der Beleihung Dritter bedienen. Die Übertragung an religiöse Vereine ist zulässig, wenn diese den dauerhaften Betrieb sicherstellen können; es darf keinen Anlass zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Religionsgemeinschaft geben.

Änderung Satzungsrecht
Die satzungsrechtlichen Bestimmungen der Stadt Kalkar zum Bestattungswesen sind auf die Besonderheiten der ezidischen Beisetzungen abzustellen bzw. anzupassen. Die Satzungen werden im Einvernehmen mit der übernehmenden Stelle erlassen; die übernehmende Stelle stellt die Aufsichtsbehörde (Stadt Kalkar) von allen Ansprüchen Dritter frei. Die Aufsichts- und Kontrollpflicht verbleibt bei der Kommune.

Finanzielle Auswirkungen


Im Zusammenhang mit der Projektierung eines Friedhofs für die Eziden entstehen Kosten für die Flächenmobilisierung, einschl. Plan- und Genehmigungsverfahren sowie für die sonstige Baureifmachung. Der Umfang der Kosten ist im weiteren Planungsprozess zu konkretisieren; die Übernahme von Kosten ist mit dem Verein der Eziden zu vereinbaren.

Beschlussvorschlag


Der Bereitstellung eines städtischen Grundstücks zwecks Nutzung als Friedhof durch den Verein der Eziden am Unteren Niederrhein e.V. wird aus Sicht der Stadtentwicklung grundsätzlich zugestimmt. Dabei soll bevorzugt das städtische Grundstück Gemarkung Altkalkar, Flur 5, Flurstück 674 dem Verein zur Inanspruchnahme angeboten werden. Die Verwaltung wird beauftragt, die Einzelheiten zur Realisierung eines ezidischen Friedhofs auf diesem Grundstück mit den Genehmigungsbehörden und dem Verein der Eziden abzustimmen. Die Ergebnisse des Abstimmungsprozesses und die weiteren Schritte im Hinblick auf eine mögliche Umsetzung des Vorhabens sind den zuständigen Fachausschüssen des Rates der Stadt Kalkar zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen. Ziel soll es dabei auch sein, eine möglichst weitreichende Aufgaben- und Finanzierungsübertragung auf den Verein der Eziden zu vereinbaren.

Vorgesehener Beratungsweg

Hier können Sie den Beratungsweg und die Beschlussfassungen der Drucksache verfolgen.

Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung, 11.04.2018

Wortbeitrag


Stadtoberbaurat Sundermann erläutert den Antrag des Vereines der Eziden auf eine eigene Begräbnisstätte. Ihrem Glauben entsprechend, möchten diese Bestattungen vornehmen, die nicht im Sarg erfolgen und die eine Belegung des Bestattungsplatzes für die Ewigkeit vorsehen würde. Eine solche Bestattungsform ist satzungsrechtlich in Kalkar bisher nicht möglich. Die Bestattungen müssten nach dem Verständnis der Religionsgemeinschaft in einem Boden erfolgen, der noch nie für Begräbnisse genutzt worden ist.

Zunächst war somit, um dem berechtigten Interesse der in der Stadt Kalkar stark vertretenden Religionsgemeinschaft Rechnung zu tragen, ein Standort zu finden, wo sich die Ansprüche umsetzen lassen. Stadtoberbaurat Sundermann erläutert, warum der von den Eziden favorisierte Standort in der Nähe des Gewerbegebietes Oyweg ungeeignet ist. Die weitere Variante, städtische Grundstücke in Friedhofsnähe in Anspruch zu nehmen, habe den Nachteil, dass eine dauerhafte Grundwasserabsenkung erfolgen müsste, um die Flächen entsprechend nutzen zu können. Der Kostenaufwand erschien somit zu hoch um dort einen Friedhof zu planen.

Nach jetzigem Kenntnisstand sei die verfügbare städtische Grundstücksfläche am Beginenweg mit einer Größe von 4.016 m² grundsätzlich geeignet, um die Umsetzung der Antragsteller zu realisieren. Stadtoberbaurat Sundermann macht deutlich, dass bei einem Votum zur Umsetzung einer Bestattungsanlage auf dieser Fläche noch viele städt. Ressourcen gebunden werden müssten, um die Umsetzung zu realisieren. Der Flächennutzungsplan müsste geändert, ein entsprechender Bebauungsplan aufgestellt werden. Die Möglichkeiten diese Bestattungen durchzuführen, müssten in der Friedhofssatzung verankert werden. Es sei zu klären, wer Betreiber des Friedhofes sein darf, hier sei die Kommunalaufsicht zu beteiligen. Sollte der Friedhof seitens der Stadt betrieben werden, sind Bauhofmitarbeiter für die Pflege und andere Arbeiten abzustellen.

Es sei nun zu entscheiden, ob eine weitere Prüfung zur Umsetzung eines Bestattungsplatzes auf dem Grundstück am Beginenweg erfolgen und welche Leistungen die Religionsgemeinschaft in diesem Zusammenhang erbringen soll.

RM Wenten führt aus, dass es den Eziden zurzeit möglich ist, Bestattungen auf einem Friedhof in Wesel durchzuführen. Dort sei geregelt, dass die Bestattungen im Sarg erfolgen, grundsätzlich sei eine Nutzungsdauer von 25 Jahren vorgesehen, ein Nachkauf der Bestattungsfläche sei aber möglich. Seit 1991 seien auf diesem Friedhofsteil 60 Bestattungen durchgeführt worden. Es gebe jedoch keine Kindergräber. RM Wenten spricht sich dafür aus, auch für Kalkar eine solche Kompromissmöglichkeit zu erarbeiten, damit der Aufwand dem Anliegen der Religionsgemeinschaft Rechnung zu tragen für die Stadt im überschaubaren Rahmen bleibe.

Nach Auffassung von RM Reumer sollte die Möglichkeit der besonderen Bestattung lediglich den in Kalkar lebenden Eziden vorbehalten bleiben. Auch er vertritt die Meinung, dass Weseler Modell zu übernehmen.

RM Wolters findet den Standort in unmittelbarer Nähe zur Kaserne wegen möglicher Interessenskonflikte eher ungeeignet, außerdem könnten seitens der Bundeswehr Erweiterungsabsichten bestehen, die dann nicht mehr bedient werden können. Evtl. sei es möglich, den Standort in unmittelbarer Nähe zum vorhandenen Friedhof mittels Geländeauffüllungen zu optimieren und eine Umsetzung damit möglich zu machen. Die Umsetzung des Weseler Modells sollte seiner Ansicht nach mit der Religionsgemeinschaft verhandelt werden.

SB Kerkenhoff erkundigt sich nach der vorhandenen Infrastruktur, er vertritt die Auffassung, dass eine Nutzung im Anschluss an den vorhandenen Friedhof wegen des Vorhandenseins der Infrastruktur (Wasser, Strom, Parkplätze) kostengünstiger sei. Stadtoberbaurat Sundermann führt aus, dass im Beginenweg Wasser und Stromleitungen vorhanden seien, die notwenige Grundwasserabsenkung im Bereich des Schwanenhorstes werde rund 70.000,00 € Kosten verursachen.

Beschluss


Nach weiterer Diskussion, an der sich RM Wolters, BM Schulz, RM Mosler, Stadtoberbaurat Sundermann und RM van Aken beteiligen, beschließt der Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung einstimmig:

Die Verwaltung wird beauftragt, Gespräche mit den Eziden zu führen, um eine Anpassung der Bestattungsriten an das Weseler Modell zu erreichen, die eine Umsetzung nach einem Bestattungsplatz für die Eziden leichter machen würde. Zudem sei zu prüfen, ob der Standort neben dem vorhandenen Friedhof über Geländeauffüllungen ertüchtigt werden kann. Sollten diese Gespräche Erfolg haben, können Kostenbeteiligen erörtert werden.