Gesetzliche Neuregelung der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts - § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG)

Vorlagennummer: 10/313
Beratungsart:öffentlich
Federführender Bereich:Zentrale Verwaltung und Finanzen

Wichtige Dokumente zum Download (veröffentlicht am 19.12.2016)

Sachverhalt


Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 wurde ein neuer § 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG) eingeführt. Durch die Neuregelung wird die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) vollkommen neu geregelt und an die europarechtlichen Vorgaben angepasst. Der bisherige § 2 Abs. 3 UStG wurde gestrichen.

Nach derzeitigem Recht sind jPdöR gem. § 2 Abs. 3 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) aufgrund § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 Körperschaftssteuergesetz (KStG) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Durch den Wegfall des § 2 Abs. 3 UStG hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die umsatzsteuerliche Beurteilung des Handelns von jPdöR nicht mehr mit dem Begriff des BgA zu verknüpfen.

Der neue § 2 b UStG hat zur Folge, dass zahlreiche und wesentliche Besteuerungsprivilegien der jPdöR aufgehoben werden. Zukünftig werden sämtliche auf privatrechtlicher Grundlage ausgeübten Tätigkeiten der jPdöR als unternehmerisch eingestuft und umsatzsteuerpflichtig sein. Nicht als Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuergesetzes sind jPdöR anzusehen, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen und die Steuerfreiheit nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Wann größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen, regelt § 2 b Abs. 2 UStG. Danach liegen insbesondere größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn

1. der von der jPdöR im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500 € jeweils nicht übersteigen wird oder

2. vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§9) einer Steuerbefreiung unterliegen.

Sofern eine Leistung an eine andere jPdöR ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere nicht vor, wenn

1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von jPdöR erbracht werden dürfen oder

2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn

a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,

b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,

c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und

d) der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere jPdöR erbringt.


Der Städte- und Gemeindebund NRW weist die Kommunen in seinem Schnellbrief 111/2016 vom 28. April 2016 auf Folgendes hin: "Da die Neuregelung mit einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe operiert, sind zum jetzigen Zeitpunkt auch nach gewissenhafter Gesetzeslektüre interpretatorische Unschärfen kaum zu vermeiden. Größere Klarheit für die Auslegung des § 2 b UStG soll ein BMF-Schreiben bringen, dessen Erscheinen für die zweite Jahreshälfte 2016 erwartet wird. Ein aktueller Zeitpunkt hierfür ist aktuell nicht bekannt."

Unabhängig davon kommen durch den Systemwechsel erhebliche Änderungsanforderungen auf die juristische Person des öffentlichen Rechts zu.

Es sind die privatrechtlichen Vertragsverhältnisse der jPdöR zu erheben, es sind die Erträge und Einzahlungen, Aufwendungen und Auszahlungen der juristischen Person des öffentlichen Rechts auf etwaige Umsatzsteuerverpflichtungen bzw. Vorsteuerabzugsmöglichkeiten zu untersuchen, es ist zu prüfen, inwieweit die bisherige Software die zukünftigen Anforderungen abdecken kann, es ist der anstehende Investitionsbedarf in den zukünftig umsatzsteuerrechtlich relevanten Bereich zu erheben, es ist zu prüfen, welche bislang privatrechtlich geregelten Bereiche einer öffentlich-rechtlichen Regelung zugeführt werden können, es sind bestehende Verträge in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht anzupassen usw.

Aufgrund der anstehenden Herausforderungen hat der Gesetzgeber mit dem § 27 Abs. 22 UStG eine Übergangsregelung geschaffen. Hiermit ist die Möglichkeit einer bis zu fünfjährigen Übergangszeit vorgesehen.

Die jPdöR haben bis zum Ende des laufenden Jahres die Wahl, ob sie bereits zum 01.01.2017 die neuen Regelungen des § 2 b UStG anwenden möchten oder ob sie bis spätestens zum 31.12.2020 die bisherige Rechtslage weiterhin in Anspruch nehmen möchten (sog. Optionserklärung).

Die Optionserklärung ist durch die Bürgermeisterin oder einen Bevollmächtigten bis spätestens zum 31.Dezember 2016 an das nach § 21 Abgabenordnung (AO) zuständige Finanzamt (hier: Finanzamt Kleve) zu richten. Hierbei handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist. Das UStG sieht für die Optionserklärung keine spezielle Form vor. Die Schriftform ist aber dringend zu empfehlen, ebenso ein Zustellungsnachweis.

Die Optionserklärung kann innerhalb des Zeitraumes (01.01.2017 - 31.12.2020) einmalig widerrufen werden. Der Widerruf wirkt zu Beginn eines vollen Kalenderjahres und kann auch rückwirkend berücksichtigt werden. Ein Wechsel zur alten Rechtslage ist danach aber nicht mehr möglich.

Da es sich aus Sicht der Verwaltung bei dieser Optionserklärung nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne der Gemeindeordnung NRW handeln dürfte, liegt die Entscheidungszuständigkeit beim Rat der Stadt Kalkar.

Aufgrund der zurzeit bestehenden Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Neuregelung ist eine vollständige Beurteilung der genauen Folgen derzeit nicht möglich. Des Weiteren ist zur Vorbereitung auf das neue Recht ein zeitaufwändiger Umstellungsprozess (Sondierungsphase, Gestaltungsphase, Anpassung der Verwaltungspraxis) erforderlich. Es empfiehlt sich daher unbedingt, das Optionsrecht wahrzunehmen. Sollten sich bis zum 31.12.2020 Sachverhalte ergeben, die insgesamt vorteilhafter für die Stadt Kalkar sind, wird die Verwaltung dem Rat vorschlagen, die Optionserklärung zu widerrufen.

Beschlussvorschlag


Die Verwaltung wird beauftragt, bis zum 31.12.2016 gegenüber dem zuständigen Finanzamt folgende Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) abzugeben:

"Hiermit erkläre ich, dass die Stadt Kalkar § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwenden wird."

Vorgesehener Beratungsweg

Hier können Sie den Beratungsweg und die Beschlussfassungen der Drucksache verfolgen.

Haupt- und Finanzausschuss, 08.12.2016

Beschluss


Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt einstimmig:

Die Verwaltung wird beauftragt, bis zum 31.12.2016 gegenüber dem zuständigen Finanzamt folgende Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) abzugeben:

"Hiermit erkläre ich, dass die Stadt Kalkar § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwenden wird."

Rat der Stadt, 15.12.2016

Beschluss


Aufgrund der Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses vom 08.12.2016 beschließt der Rat der Stadt einstimmig:

Die Verwaltung wird beauftragt, bis zum 31.12.2016 gegenüber dem zuständigen Finanzamt folgende Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) abzugeben:

"Hiermit erkläre ich, dass die Stadt Kalkar § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwenden wird."

Ein Ratsmitglied war zum Zeitpunkt der Abstimmung vorübergehend nicht im Ratssaal anwesend.