7. Änderung der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse des Rates der Stadt Kalkar

Vorlagennummer: 10/114
Beratungsart:öffentlich
Federführender Bereich:Zentrale Verwaltung und Finanzen

Wichtige Dokumente zum Download (veröffentlicht am 20.04.2016)

Sachverhalt


Die Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse des Rates der Stadt Kalkar sieht in § 6 Abs. 1 folgende Regelung vor:

„Die Sitzungen des Rates sind öffentlich. Jedermann hat das Recht, als Zuhörer an öffentlichen Ratssitzungen teilzunehmen, soweit dies die räumlichen Verhältnisse gestatten. Die Zuhörer sind - außer im Falle des § 18 (Einwohnerfragestunde) - nicht berechtigt, das Wort zu ergreifen oder sich sonst an den Verhandlungen des Rates zu beteiligen."

Nach § 26 der Geschäftsordnung findet diese Regelung auch auf das Verfahren der Ausschüsse entsprechend Anwendung. Eine von § 6 Abs. 1 abweichende Regelung ist für Ausschüsse in § 27 der Geschäftsordnung nicht vorgesehen.

In der Sitzung des Ausschusses für Bürgerbeteiligung und Gemeinwesen am 14.12.2015 wurde deutlich, dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit eröffnet werden soll, sich im Rahmen der Geschäftsordnung mit Wortbeiträgen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten in diesem Ausschuss zu beteiligen.

Nach der aktuellen Rechtslage sind unter anderem bereits folgende Möglichkeiten der Beteiligung gegeben:
Einwohnerversammlung (§ 3 Abs. 2 und Abs. 3 der Hauptsatzung der Stadt Kalkar i. V. m. § 23 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NRW),
Anregungen und Beschwerden (§ 4 der Hauptsatzung der Stadt Kalkar i. V. m. § 24 GO NRW),
Einwohnerantrag (§ 25 GO NRW),
Einwohnerfragestunde (§ 18 der Geschäftsordnung i. V. m. § 48 Abs. 1 S. 3 GO NRW),
Anregungen im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Bauleitplänen (§§ 3, 13 Abs. 2, 13a Abs. 2 BauGB) sowie
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (§ 26 GO NRW).

Zudem sind die jeweiligen Ausschussvorsitzenden berechtigt, eine Ausschusssitzung formal zu unterbrechen, um einen Zuhörer zu Wort kommen zu lassen.

Ferner regelt § 58 Abs. 3 Satz 6 GO NRW ausdrücklich, dass Sachverständige und Vertreter derjenigen Bevölkerungsgruppen, die von einer Entscheidung vorwiegend betroffen werden, zu den Beratungen hinzugezogen werden können.

Diese Anhörung ist jedoch nur nach einem entsprechenden Beschluss des Ausschusses zulässig, sie kann nicht etwa vom Vorsitzenden allein im Rahmen seiner Verhandlungsleitung verfügt werden. Der Vorsitzende kann jedoch in Vorbereitung der Sitzung die Anzuhörenden (vorsorglich) laden (Kommentar zu § 58 Abs. 3 S. 6 GO NRW, Kirchhof/Plückhahn). Der Beschluss über die Hinzuziehung ist in einer der Hinzuziehung vorausgehenden Sitzung zu fassen, um sowohl den Ausschussmitgliedern als auch den anzuhörenden Personen eine angemessene Vorbereitung zu ermöglichen; nur in Ausnahmefällen, etwa im Falle einer besonderen Dringlichkeit, wird man die sofortige Hinzuziehung als zulässig ansehen dürfen (Kommentar zu § 58 Abs. 3 GO NRW, Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch).

Eine entsprechende Regelung muss nicht in die Geschäftsordnung aufgenommen werden. Unstrittig ist, dass sich diese Regelung nicht auf den einzelnen Bürger bezieht, sondern dass eine Bevölkerungsgruppe (z.B. Anlieger beim Straßenausbau) betroffen sein muss.

§ 58 Abs. 3 Satz 6 GO NRW zielt nur auf die einzelfallbezogene Hinzuziehung zu einer Ausschusssitzung ab, die allerdings nicht auf einzelne Tagesordnungspunkte beschränkt ist; eine dauerhafte und über mehrere Sitzungen verlaufende Hinzuziehung ist jedoch nicht möglich. Jede Art der Dauerberatung verwischt die Grenze zu den Mitgliedschaftsrechten; sie ist unzulässig (Kommentar zu § 58 Abs. 3 GO NRW, Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch). Aus der Formulierung „zu den Beratungen zuziehen“ folgt, dass die Dritten i. S. d. § 58 Abs. 3 S. 6 GO NRW kraft Gesetzes kein eigenes Rede- oder gar Antragsrecht haben, sondern nur auf Aufforderung des Ausschussvorsitzenden oder auf Grund von Fragen der Ausschussmitglieder Stellung nehmen dürfen (Kommentar zu § 58 Abs. 3 S. 6 GO NRW, Kirchhof/Plückhahn).

In nichtöffentlichen Sitzungen kann eine Hinzuziehung ebenfalls durchgeführt werden, da die Anhörung von der Beratung und der Beschlussfassung deutlich abzugrenzen ist - der Dritte also vor Beratung und Beschlussfassung den Sitzungsort verlassen muss - und insoweit die Nichtöffentlichkeit gewahrt werden kann.

Inwieweit die Regelung des § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung das eben genannte Hinzuziehungsrecht einschränken kann, kann dahingestellt bleiben, wenn in die Geschäftsordnung eine klarstellende Regelung für die Ausschüsse aufgenommen wird.

Die Verwaltung schlägt daher vor, in § 27 der Geschäftsordnung einen neuen Absatz 4 mit folgendem Wortlaut einzufügen:

"Die Ausschüsse können beschließen, dass Vertreter derjenigen Bevölkerungsgruppen, die von ihrer Entscheidung vorwiegend betroffen werden und Sachverständige zu den Beratungen einer Sitzung hinzugezogen werden. Der Ausschuss soll den entsprechenden Beschluss in einer der Hinzuziehung vorausgehenden Sitzung fassen. In Ausnahmefällen, insbesondere in Fällen besonderer Dringlichkeit, ist eine sofortige Hinzuziehung möglich. Die Hinzugezogenen haben bei nichtöffentlichen Sitzungsteilen den Sitzungsraum zu verlassen, bevor in der Angelegenheit, zu der sie gehört werden, eine Beratung oder Beschlussfassung erfolgt."

Eine über die gesetzliche Regelung in § 58 Abs. 3 S. 6 GO NRW hinausgehende Beteiligung von Zuhörern der Ausschusssitzungen, insbesondere ein ständiges Rede- oder gar Antragsrecht, ist nicht möglich. Nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes NRW würde eine derartige Beteiligung von Zuhörern auch zur Rechtswidrigkeit von Beschlüssen führen, die unter dieser Beteiligung zustande gekommen sind.

Nach § 4 Abs. 4 der Hauptsatzung der Stadt Kalkar ist der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Gemeinwesen zuständig für die Erledigung von Anregungen und Beschwerden nach § 24 GO NRW. Um den Petenten eine weitergehende Beteiligung zu ermöglichen, könnte ihnen ein Begründungs- und ein eingeschränktes Rederecht eingeräumt werden. Dies widerspricht nach Aussage des Städte- und Gemeindebundes NRW auch nicht der Regelung in § 58 Abs. 3 S. 6 GO NRW und damit auch nicht den eben gemachten Aussagen, da § 24 Abs. 2 GO NRW gerade die Möglichkeit eröffnet, das Verfahren für Anregungen und Beschwerden näher zu regeln.

Diese näheren Regelungen sind grundsätzlich durch die Hauptsatzung zu treffen, § 24 Abs. 2 GO NRW, soweit es sich um wesentliche Grundsätze für das Verfahren handelt. Werden Teile des Verfahrens in der Geschäftsordnung geregelt, hat dies nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes NRW keine rechtlichen Konsequenzen zur Folge. Aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs mit der bereits angeregten Regelung schlägt die Verwaltung vor, in § 27 der Geschäftsordnung einen neuen Absatz 5 mit folgendem Wortlaut einzufügen:

"Der Person, die sich nach § 4 der Hauptsatzung schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat der Stadt wendet, ist in dem Ausschuss, der für die Erledigung von Anregungen und Beschwerden zuständig ist, die Möglichkeit zu geben, ihre Anregung oder Beschwerde zu begründen. Bei in Gemeinschaft mit anderen eingereichten Anregungen oder Beschwerden hat die Erläuterung stellvertretend durch bis zu zwei Personen zu erfolgen. Die Redezeit pro Antrag soll insgesamt fünf Minuten nicht überschreiten. Sofern Verständnisfragen seitens der Ausschussmitglieder bestehen, dürfen diese ebenfalls in kurzer Form beantwortet werden."

Finanzielle Auswirkungen


Es entstehen keine Kosten.

Beschlussvorschlag


Die 7. Änderung der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse des Rates der Stadt Kalkar wird in der Fassung der Anlage zur Drucksache beschlossen.

Vorgesehener Beratungsweg

Hier können Sie den Beratungsweg und die Beschlussfassungen der Drucksache verfolgen.

Haupt- und Finanzausschuss, 28.04.2016

Wortbeitrag


BM Dr. Schulz und Stadtverwaltungsrat Jaspers erläutern den Sachverhalt und die Intention der von der Verwaltung vorgeschlagenen Änderungen der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse des Rates der Stadt Kalkar.

In der anschließenden Aussprache, an der sich die Ratsmitglieder Leusch, Kunisch, Schwaya, Gulan und Wolters sowie BM Dr. Schulz und Stadtverwaltungsrat Jaspers beteiligen, wird insbesondere über die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Änderungen der Geschäftsordnung vor dem Hintergrund der bereits jetzt gegebenen Möglichkeiten der Beteiligung der Zuhörer, z. B. durch eine Unterbrechung der Sitzung, diskutiert.

Nach einer fünfminütigen Unterbrechung der Sitzung auf Antrag der Fraktion Forum Kalkar lässt BM Dr. Schulz über den Beschlussvorschlag in der Drucksache abstimmen.

Beschluss


Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt mehrheitlich mit 6 Ja-Stimmen bei 3 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen den Erlass der 7. Änderung der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse des Rates der Stadt Kalkar in der Fassung der Anlage zur Drucksache.

Rat der Stadt, 03.05.2016

Wortbeitrag


BM Dr. Schulz verweist auf die mehrheitliche Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses, die Änderung der Geschäftsordnung in der Fassung der Anlage zur Drucksache zu beschließen.

In der anschließenden Aussprache, an der sich die Ratsmitglieder Leusch, Altenburg, Gulan, Wolters und Schwaya sowie BM Dr. Schulz beteiligen, wird die Notwendigkeit der von der Verwaltung vorgeschlagenen Änderungen diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Beteiligung der Bürger an den Sitzungen des Ausschusses für Bürgerbeteiligung und Gemeinwesen.

Beschluss


Entgegen der Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses vom 28.04.2016 lehnt der Rat der Stadt mehrheitlich mit 15 Nein-Stimmen bei 13 Ja-Stimmen die 7. Änderung der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse des Rates der Stadt Kalkar in der Fassung der Anlage zur Drucksache ab.